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Schrieben und Risiken

Wann dir Schreiben schaden kann

Nein, Schreiben hilft nicht immer. Es kann Probleme verschlimmern und verschleppen. Was du tun kannst, damit Schreiben nicht zur Selbstcoaching-Falle für dich wird.

Bisher war ich der Meinung gewesen, dass ein großer Vorteil des Schreibens ist, dass man es nicht falsch machen kann. Dass es keine Nebenwirkungen hat.

Diese Haltung muss ich relativieren.

Schreiben mag zwar keine akut gefährlichen Nebenwirkungen haben, aber es kann auch schaden, wenn du ungünstig vorgehst.

Journaling-Therapeutin Kathleen Adams hat in ihrer Forschung mit PTBS-Patienten in einer Klinik zum Beispiel festgestellt, dass über 80 Prozent der Patienten bereits ein Journal führten und gleichzeitig über 90 Prozent berichteten, dass sie damit negative Erfahrungen gemacht hätten.

Sie fühlten sich durch das Schreiben in düstere Stimmungen hineingezogen, aus denen sie sich nur schwer befreien konnten

Bildern ihrer Traumata kamen während des Schreibens in ihnen hoch. Die Patienten berichteten von Migräne, Schlafstörungen und Depressionen, die sie mit dem Journaling in Verbindung brachten.

Was war die Ursache für diese negativen Schreib-Erfahrungen?

Adams fand heraus, dass alle Patienten das freie Schreiben genutzt hatten und dieses in der Situation eher ungünstig auswirkte. Als vorteilhafter für die Patienten stellten sich in der weiteren Zusammenarbeit konkrete und strukturierte Übungen heraus, den den Fokus auf die Gegenwart und Zukunft, auf das Gelingende und Mögliche lenkten.

Nach dieser Erfahrung entwickelte Kathleen Adams eine Journaling-Skala, in der sie Übungen nach dem Grad ihrer Strukturierung einordnete. Außerdem ist daran ablesbar, welche Übung eher das Bewusste, das Unterbewusste und das Unbewusste im Schreiber anspricht. Wem es gelingt, sich selbst oder mithilfe eines Journaling Coaches auf der Skala zu verorten, kann sie als Orientierung nutzen, um eine für ihn gerade passende Journaling-Übung zu finden.  

Die Studie wurde mit psychisch belasteten Menschen durchgeführt und ist davon nur eingeschränkt auf das Journaling für persönliches Wachstum übertragbar. Wer gut in Kontakt mit dem eigenen Gefühl ist und sich reflektieren kann, wird möglicherweise merken, ob ihm eine Methode gut tut oder nicht und dann aus eigener Initiative einen anderen Ansatz wählen. Auf die eigene Intuition zu hören, ist also – davon unabhängig – immer ein guter Wegweiser.

4 Hinweise, wie du das Journaling nicht verwenden solltest

Dennoch gibt es ein paar grundsätzliche Hinweise, die man beachten sollte, wenn man das Schreiben als Selbstcoachingtool, als Wegbegleiter nutzen will. Im Austausch mit anderen Schreibenden sind immer wieder einige Gefahren zur Sprache gekommen, die ich an dich weitergeben will, damit du Ausschau halten kannst und ihnen gar nicht erst zum Opfer fällst.

1. Schreiben ist kein Ersatz fürs Reden

Schreiben ist eine großartige Möglichkeit, sich Themen anzunähern, um die man bisher einen großen Bogen gemacht hat, weil sie zu schmerzhaft und unangenehm sind. Über Themen zu schreiben, über die du mit niemanden reden willst, bringt Erleichterung und Klarheit. Doch es kann nicht das persönliche Gespräch mit einem anderen Menschen ersetzen, das noch einmal andere Qualitäten mit sich bringt.

Gerade wenn du über Probleme schreibst, nimm Schreiben nicht als Alternative, um dich jemandem anzuvertrauen und dir Hilfe zu suchen, sondern betrachte es als Vorbereitung. Sonst besteht die Gefahr, dass du dich im Kreis drehst, dich in destruktiven Gedankenmustern verhedderst oder einfach nicht in Veränderung kommst, die du dir eigentlich wünschst.

Schreiben kann die persönliche Begegnung niemals ersetzen. Aber es kann sie intensivieren.

2. Schreiben ist kein Ersatz fürs Tun

Schreiben gibt das Gefühl, etwas Konstruktives zu tun. Denn wir tun ja etwas: Wir schreiben. Wir setzen uns mit unseren Gedanken und Gefühlen auseinander. Soweit, so gut. Doch so wichtig dieser Schritt ist, er kann uns nicht von der Anstrengung befreien, unser Verhalten und unser Denken dann nach unseren Erkenntnissen auch neu auszurichten.

Worte, die nur auf dem Papier existieren und kein Echo in deinem Leben auslösen, sind wertlos.

3. Schreiben ist kein Allheilmittel

Schreiben kann eine extrem wirkungsvolle Gewohnheit sein, wenn wir sie bewusst einsetzen. Eine stabile Journaling-Routine ist aber kein Freifahrtsschein, um andere gute Gewohnheiten schleifen zu lassen. Nur weil du dich zum Beispiel gesund ernährst, heißt das nicht, dass du nur noch drei Stunden Schlaf und keine Bewegung brauchst.

Im Klartext: Schreiben ist ein wichtiger Baustein für eine gesunde Lebensbalance, aber alleine noch lange kein sicheres Fundament. Es befreit dich nicht davon, dich um alle deine Lebensbereiche zu kümmern. Sport, Ernährung, Meditation und viele andere wertvolle Bausteine warten auch darauf, ihren Platz in deinem Leben zu bekommen.

4. Schreiben ist keine Alternative zum Leben

Schreiben ist ein wunderbarer Zufluchtsort. Wir können ihn immer in der Tasche dabei tragen. Es braucht nur ein kleines Notizbuch und einen Stift. Wir können uns schreibend fantastische Fantasiewelten erschaffen. Wir sagen uns, dass kreativ sein unser Ausgleich zum Alltagsstress ist. Wir sagen uns, dass wir persönliche Themen aufarbeiten. Dass wir unsere Akkus wieder aufladen. Spätestens, wenn du mehr Zeit am Schreibtisch verbringst als bei anderen Aktivitäten in deiner Freizeit, frag dich, inwieweit das Schreiben für dich ein Fluchtmechanismus ist. Debattierst du lieber mit dir selbst über deine Themen? Konstruierst du lieber Geschichten als selbst die Geschichte deines Lebens zu gestalten?

Schreiben hat etwas extrem Erfüllendes. Du erschaffst etwas aus dem Nichts. Du hast die volle Kontrolle. Alles ist möglich. Darin liegt allerdings auch ein Suchtpotenzial. Unterschätze es nicht, es sei denn du willst dem Klischee des eremitenhaften Autoren nacheifern, der zurückgezogen in einer Waldhütte lebt.

Journaling für persönliches Wachstum braucht die Interaktion mit dem Leben. Bleib neugierig. Triff Entscheidungen. Sei mutig. Schreiben und Leben sind untrennbar miteinander verbunden. Wenn du dir keine Erfahrungen gönnst und das Leben nur mit Distanz betrachtest, wird dich auch das intensivste Journaling nicht glücklicher machen.

Willst du durchs Schreiben wachsen, trau dich ein Leben voller Lebendigkeit zu führen.

Schreiben ist großartig. Doch es ist gut, immer mal wieder zu prüfen, ob die eigene Herangehensweise hilfreich ist. Das Schreiben darf auch Schmerz und Tränen an die Oberfläche spülen, sollte dich aber auf Dauer stärken, zuversichtlich stimmen und mit Liebe erfüllen.

Vor welchen Gefahren des Schreibens würdest du warnen?

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