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by Ryan McGuire

Wie ich durchs Schreiben Vertrauen ins Leben gefasst habe

Wie finde ich Vertrauen in mich und meinen Körper? Die Antwort auf diese Frage hat mein Leben ziemlich auf den Kopf gestellt. Moni hat auf My Free Mind eine Artikelsammlung zum Thema zusammengestellt, und ich will die Gelegenheit nutzen, mal ein wenig den Vorhang zu lüften, warum Schreiben aus meinem Leben mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist.

Rückblick. Während des Studiums zog sich im Hörsaal regelmäßig mein Hals zu, egal wie spannend ich die Vorlesung fand. Nachts wachte ich mit Herzrasen und Atemnot auf. Tagsüber fühlte ich mich von einer bleiernen Müdigkeit niedergedrückt, egal wie kurz oder lang, gut oder schlecht ich geschlafen hatte.

Kurz: Mein Vertrauen in meinen Körper war seit meiner Teenagerzeit ziemlich ramponiert.

Die Symptome hatten die Stempel Anpassungsstörung, Panikattacken und Depressionen erhalten. Ungefähr mit dem Abizeugnis überreicht, war ich diese Trophäen seitdem trotz zahlreicher Bemühungen nicht mehr losgeworden.

Bis vor ein paar Jahren.

Damals entdeckte ich etwas, das mein Leben ordentlich durcheinander wirbelte und das der Beginn einer wunderbaren Reise war, deren Ende glücklicherweise nicht abzusehen ist.

Dank meiner Dissertation verbrachte ich genug Zeit alleine, um nachzudenken. Nicht nur über mein Forschungsthema, sondern über mich und mein Leben. Mit dem ich alles andere als glücklich war. Vor allem, weil ich meinen Körper wegen oben beschriebener Launenhaftigkeit eher als Gefängnis denn als viel zitierter Tempel empfand. Ich beschloss eine weitere, finale Forschungsarbeit zu beginnen. Arbeitstitel: Das Vertrauen in mich und meinen Körper wiederherstellen.

Was brauche ich, um mir selbst zu vertrauen?

Vertrauen zu anderen ist nicht ohne Offenheit und Aufrichtigkeit möglich. Vertrauen zu mir selbst brauchte also wohl Ähnliches. Und da ich den Stift aus Arbeitsgründen schon häufig in der Hand hatte, fing ich an, mich selbst zu befragen. Mich selbst (neu) kennenzulernen.

Denn es kommt nicht darauf an, schon alle Antworten zu haben, sondern sich die richtigen Fragen zu stellen. Zu reflektieren. Sich selbst zu hinterfragen. Wo ich dachte, dass ich keine Geheimnisse mehr vor mir hatte, taten sich damit völlig neue Welten auf.

Was die richtigen Fragen sind, ist dabei allerdings für jeden Menschen verschieden. Das heißt, ich kam nicht drumherum, mir viele und vor allem unterschiedliche Fragen zu stellen. Sehr viele. Zum Beispiel:

  • Wenn ich mein Leben neu erfinden würde, wie würde ich leben?
  • Wenn Geld keine Rolle spielt, was würde ich tun?
  • Was hat mir als Kind so viel Spaß gemacht, das ich die Zeit vergessen habe?
  • Worauf bin ich bei anderen Menschen neidisch?

Tag für Tag reservierte ich mir Zeit für Zettel und Stift.

Nein, Panik und Hoffnungslosigkeit und das dumpfe Gefühl, das irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war, verschwanden nicht über Nacht. Aber wenn mir der Atem stockte und mein Herz sein Tempo erhöhte, wenn dieser kleine Dopaminausstoß durch meinen Körper fuhr, dann wusste ich, dass ich auf Gold gestoßen war.

Statt rational und wohlüberlegt jede Frage zu durchdenken, schrieb ich einfach drauflos. Möglichst ohne Unterbrechung. Fragmente. Halbsätze. Ich ließ meine Intuition, mein Herz sprechen. Es sah wild aus. Aber das entsprach meinem inneren Chaos.

Und Zeile für Zeile und Monat für Monat kristallisierte sich ein wiederkehrendes Thema heraus und formte sich ein Weg, der mir so interessant erschien, dass ich meine Seele überreden konnte, noch länger auf diesem Planeten zu verweilen, um herauszufinden, wohin dieser führen würde.

Ich verstand langsam, dass mein Körper mir nichts Schlechtes wollte.

Er hatte einfach verzweifelt nach Wegen gesucht, Alarm zu schlagen. Denn er wollte, dass ich endlich mein Leben lebte. Meinem Herzen statt den gesellschaftlichen Konventionen folgte.

Nach viel Schreiben, Schweigen und Fühlen ließ ich los und vertraute. Nicht mir. Nicht meinem Körper. Sondern dem Leben. Dem Universum. Der höheren Macht. Wie du es auch nennen magst.

Ich beendete mein altes Leben und traf radikale Entscheidungen. Ich wechselte den Wohnort. Brach Kontakt zu Menschen ab. Probierte verschiedene Arbeitsformen. Beendete eine Beziehung. Und vor allem verbrachte viel Zeit in Krankenhäusern, wo ich die schönsten Erinnerungen meines Lebens kreierte.

Das Vertrauen in mich und in meinen Körper ist in den letzten Jahren gewachsen. Aber vor allem habe ich Vertrauen ins Leben gefasst.

Ich bin sicher: Das Leben mag gute Geschichten.

Meine hätte ich mir nicht in den wildesten Träumen so ausmalen können. Und es will mit jedem Menschen eine großartige Geschichte erzählen. Nur leider ruinieren wir mit unseren Ängsten und unseren verkopften Entscheidungen oft selbst die besten Kapitel.

Was mir hilft, sind Stille und Schreiben. Wenn ich ganz still werde, dann spricht das Leben in diesen Momenten mit mir und durch mich. Dann finde ich zu Vertrauen, Klarheit und Liebe zurück und habe wieder ein sicheres Gefühl, wohin meine Reise gehen soll.

Das heißt nicht, dass ich heute in andauernder Glückseligkeit schwebe. Oft genug ist das Gegenteil der Fall. Aber ich habe eine freundschaftliche Beziehung zum Leben und zu meinem Körper. Ich verstehe mich mittlerweile eher als Lektor eines Bestseller-Autors. Und deswegen hänge ich mich nicht daran auf, wenn ich ein lausiges Kapitel vorgesetzt bekomme, sondern mache mich an die Arbeit, es aufzupolieren und vertraue auf das Können meines Autor und darauf, dass am Ende (wieder einmal) ein großartiges Ergebnis herauskommt.

Und, an welchem Bestseller arbeitest du?

 

 

Foto: Ryan McGuire

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