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Morgenseiten: Alles, was du über die Schreibmethode wissen musst

Die Morgenseiten gehören zu den bekanntesten Journaling-Übungen. In diesem Artikel findest du alle wichtigen Fakten rund um die Methode, eine Anleitung, um Morgenseiten selbst auszuprobieren und Erfahrungsberichte von anderen Schreibenden.

Was sind Morgenseiten?

Morgenseiten (im engl. Original Morning Pages) sind eine tägliche Schreibgewohnheit, die als eine Form der Schreibmeditation bzw. des intuitiven Schreibens verstanden werden kann.  

Dabei werden morgens nach dem Aufstehen drei DIN-A4-Seiten handschriftlich geschrieben, ganz intuitiv, ohne sich vorher Gedanken über Thema und Stil zu machen. Es geht darum, den eigenen Bewusstseins- und Gedankenstrom aufs Papier zu bringen.

Wer hat’s erfunden?

Fällt der Begriff Morgenseiten, wird im gleichen Atemzug meist auch die US-amerikanische Autorin, Filmemacherin und Journalistin Julia Cameron genannt. Sie hat das morgendliche Schreiben wohl nicht erfunden, denn viele Menschen vor ihr haben sich bereits morgens Zeit genommen, ihre Gedanken ungefiltert aufzuschreiben. Aber sie hat die Methode und ihre Wirkungen in ihrem Bestseller The Artist’s Way* beschrieben, dem morgendlichen Schreiben einen Rahmen und  Konzept gegeben und es damit vielen Menschen bekannt und zugänglich gemacht. Das Buch zählt in der kreativen und spirituellen Szene mittlerweile zu den Klassikern.

Wirkung & Nutzen

Julia Cameron hat die Morning Pages als Weg beschrieben, um die eigene Kreativität freizusetzen. Auf den ersten Blick scheint die Methode nichts mit Kreativität zu tun zu haben. Doch indem du deinen Geist von störenden und negativen Gedanken befreist, deine eigenen Gedanken und Emotionen schreibend näher kennenlernst, Blockaden löst, Zugang zu Erinnerungen gewinnst und neue Perspektiven entwickelst, bist du besser oder überhaupt in der Lage, deine wirkliche Kreativität auszudrücken. Diese Auseinandersetzung mit deiner Innenwelt ist Grundvoraussetzung für Kreativität.

Mehr Kreativität

Julia Cameron beschreibt Morgenseiten auch als ein Date mit dem eigenen Schatten. Du ziehst deine Ängste und Sorgen aus den verstecken in deinem Kopf und lädst sie “zum Kaffee” ein. Auf diese Weise können sie dich nicht im Laufe des Tages überraschen und du kannst dich auf das konzentrieren, was in dem Moment gerade wichtig ist.

Mehr Fokus

Wenn dein Unbewusstes weiß, dass es dich nicht an deine Sorgen, deine neuen Ideen und deine Pläne erinnern muss, weil du dafür einen Ort und eine Zeit hast und diese Gedanken festhältst und damit wertschätzt, kannst du mit leerem und wachem Kopf an deine Aufgaben und in tägliche Begegnungen gehen. So wirst du produktiver und kreativer.

Mehr Produktivität

Morgenseiten fördern dabei nicht negatives Denken, sondern machen einfach sichtbar, was da ist. Indem du jeden Tag deinen Gedankenstrom Aufmerksamkeit schenkst, wirst du immer geübter darin, deine eigene Innenwelt wahrzunehmen. Diese geschärfte Achtsamkeit lässt du nicht zurück, wenn du die Morgenseiten beendet hast, sondern nimmst sie mit in deinen Alltag.

Mehr Achtsamkeit

Viele Morgenseitenschreiber berichten davon, dass ihre Ängstlichkeit und ihr Gedankenkreisen nachgelassen haben. Indem sie ihre kritischen oder destruktiven Anteile auf dem Papier zu Wort kommen lassen, fühlen sich diese gehört und können tagsüber Ruhe geben. Häufig verändert das Schreiben die eigene Perspektive und neue Lösungen entstehen. Für viele Schreiber gehören die Morgenseiten nach einer Weile ähnlich wie das Zähneputzen zur körperlichen Hygiene als Bestandteil zu ihrer mentalen Hygiene dazu.

Mehr emotionale Fitness

10 Dinge, die Julia Cameron von 25 Jahren Morgenseiten-Schreiben gelernt hat

Anleitung: So schreibst du Morgenseiten

Morning Pages sollten das erste sein, das du am Tag tust. Am besten du legst dir Stift und Papier direkt auf den Nachttisch oder du deponierst ein Notizbuch an deinem Frühstückstisch.

Als Faustformel gilt: Reserviere dir 30 Minuten Schreibzeit. Stell also deinen Wecker etwas früher als gewohnt, wenn du die Morgenseiten ausprobieren möchtest.

Wichtig: Die Morgenseiten sollten handschriftlich verfasst werden. Das Schreiben wird wahrscheinlich langsamer sein, als wenn du in deinen Rechner tippst, aber genau das ist gewollt. Die Verlangsamung fördert Achtsamkeit, dir und deiner eigenen Innenwelt gegenüber.

Morgenseiten können nicht richtig oder falsch geschrieben werden. Es gibt keine Regeln, wie und was du schreiben darfst.

  • Du darfst jammern, schreien, alle Regeln der Rechtschreibung über Bord werfen.
  • Du darfst dich über ein einziges so banales Thema auslassen oder ganz viele anreißen.
  • Du darfst Alltägliches wie die Sorge um den wöchentlichen Einkauf genauso thematisieren wie die Angst vor dem Verlust des Partners oder die eigene Sinnsuche.

Das einzige, was bei dieser Methode eingehalten werden muss: Nach drei Seiten beendet man die Morgenseiten und legt Stift und Papier zur Seite.

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Für wen sind Morgenseiten geeignet?

Morgenseiten sind prinzipiell für jeden geeignet, der schreiben kann und seine Kreativität, Produktivität und Konzentration verbessern, sich selbst besser verstehen und absichtsvoller leben möchte.

Es ist nicht notwendig, besonders gut oder fehlerfrei schreiben zu können. Ob Legastheniker oder Literat – Morning Pages sind für jeden.

Es spielt auch keine Rolle, wie alt oder jung man ist. Julia Cameron hat darüber in ihrem Buch “It’s never too late to begin again”* geschrieben.

Manchen mag die Länge des Schreibens (3 DIN A4 Seiten) abschrecken. Sie meinen, sich so lange nicht konzentrieren zu können.  Es braucht aber keine besondere Konzentrationsfähigkeit. Da einfach der Gedankenstrom festgehalten wird, sind die drei Seiten ziemlich schnell gefüllt. Julia Cameron selbst sagt, dass Menschen mit ADHS/ADS sogar häufiger ausführliche Sätze schreiben, während andere Schreibende eher Satzfragmente oder Stichworte notieren.

Julia Cameron beantwortet häufig Fragen Journaling-Einsteigern und beantwortet hier noch mehr Fragen.

Für wen ist die Methode NICHT geeignet?

Die Morgenseiten sind eine Methode zur Persönlichkeitsentwicklung, unterstützen die emotionale Fitness und können als Kreativitätstechnik verwendet werden.  Sie sind KEIN Ersatz für eine professionelle Unterstützung in emotionalen Krisen oder bei psychischen Erkrankungen.  

Morning Pages sind eher als Begleitung durch alle Lebensphasen einzusetzen. Sie können also auch in Krisenzeiten helfen, gerade dann. Allerdings sollten sie keine medizinische oder psychotherapeutische Begleitung ersetzen. Belasten dich deine Probleme so, dass sie deinen Alltag beeinträchtigen und hast du schon einige Methoden ohne Erfolg ausprobiert, zögere nicht, dir professionelle Unterstützung zu suchen und die Situation zu klären.

Je nach Problem und Vertrauensverhältnis sprich mit deinem Hausarzt, wende dich an einen örtlichen Krisendienst oder an psychologische und psychosoziale Beratungsstellen oder den lokalen Sozialpsychiatrischen Dienst. Google zeigt dir die Ergebnisse für deine Stadt.

Soll es schnell gehen oder willst du erstmal anonym bleiben, dann lass dich von der kostenlosen Telefonseelsorge (08 00/1 11 02 22) dazu beraten, was du am besten tun kannst, um deine Situation zu verbessern.

Alternativen zu den Morgenseiten

Morgenseiten sind ein toller Weg, um Schreiben für die eigene persönliche Entwicklung zu nutzen, aber es ist nicht die einzige und nicht immer die beste Methode. Denn je individueller Lebenssituation, Zielen und Erfahrungen können andere Schreibmethoden besser geeignet sein.

Weniger Zeit in Anspruch nimmt beispielsweise ein 5-Minuten-Journal, das wunderbar für den Einstieg ins Journaling geeignet ist. Vielleicht willst du auch ein Traumtagebuch ausprobieren oder dich eher am Wochenende mit einem Thema*, das dich gerade beschäftigt, bewusst auseinandersetzen?

Experimentieren und gib dir die Erlaubnis deine Schreibgewohnheiten zu verändern, wenn du nach einer Weile merkst, dass eine Methode für dich nicht funktioniert.

Was sagen andere über die Morning Pages?

Hier findest du einige Links zu anderen Veröffentlichungen über die Morgenseiten und zu Erfahrungsberichten zur Schreibmethode:

 

26 comments

  1. Beatrix says:

    Guten Morgen! Vielen Dank für deine ausführlichen Tipps rund um die Morgenseiten. Mich begleiten sie auch schon lang und ich habe mir auch kritische Gedanken dazu gemacht. Vor allem ist es interessant, dass J.Cameron es durchaus nicht erfunden hat, sondern Brande es in ihrem Klassiker Schriftsteller werden ganz genau beschrieben hat, aber wie auch du schon schreibst, Cameron hat es in eine Form gebracht (3 Seiten) und das war wichtig für den Durchbruch. Gerne schicke ich dir mein Buch “Die Seelenfeder” zu, wenn ich es endlich in den Händen halte, da habe ich noch mehr zu dem Zwei Punkte Programm von Cameron geschrieben, denn die Morgenseiten sind nur der erste Teil ihrer Idee. Morning pages sind das “Senden” und die kreativen Künstlertreffs sind das “Empfangen”. Ich danke dir für die weiterführenden Links, es ist so klasse, wie gut du recherchierst! Gerne empfehle ich dich weiter..

    • Paul says:

      Hallo Beatrix, danke dir, du hast mir meinen Samstag verschönert! Hat mir echt Spaß gemacht, da etwas zu buddeln zu dem Thema. Und ja, ich würde mich freuen, wenn du mir dein Buch schickst. Bin gespannt! Der zweite Teil fällt wirklich etwas hinten über in der öffentlichen Wahrnehmung. Das wär auch noch mal ein Blogthema… 🙂

      • Doro Wengenroth says:

        Hallo Paul, ich schreibe schon lange Morgenseiten, manchmal hat es “nur” den Kopf befreit, oftmals hat es zu richtig guten Tagesideen oder zur Tagesstrukturierung geführt, zu mehr Klarheit oder Texten und Kurzgeschichten. Von daher bin ich dem Morgenschreiben treu geblieben. Was mich aber über all die Jahre besonders aktiviert sind die regelmäßigen Künstlertreffs. Bringt das Schreiben das innen nach außen, so kommen beim Künstlertreff die Inspirationen von außen in mein Inneres, sprechen mich an, inspirieren und bringen das Feuer so richtig zum brennen.
        Schöne Grüße herzlich Doro

  2. jordanbay says:

    Ein toller Beitrag zu den Morgenseiten, die ich seit einiger Zeit ebenfalls schreibe. Leider gibt es immer wieder Zeiten, in denen ich versacke und es nicht durchhalte, was mich selbst ein bisschen ärgert. Aber sie sind defintiv hilfreich, egal wofür 😀 Zu den Künstlertreffs – das ist auch gar nicht so einfach, durchzuhalten. Aber zumindest habe ich das Gefühl, dank Morgenseiten und dem “In-die-Stille-hören” etwas mehr Zugang zu meiner Kreativität bekommen haben <3
    Danke Paul!

  3. Sven says:

    hab keine angst vor deinen Sorgen, nöten, träumen, schwächen, tiefsten ängsten
    du kannst alles loslassen, wenn du schreibst
    befreie dich
    um dich selbst zu erkennen, zu verstehen, dir zu verzeihen
    um wieder der gute mensch zu werden, der du einst warst

    ich danke hier vor allem meiner bekannten birgit, die mich auf diese seite führte
    und mich ermutigte mit dem schreiben zu beginnen

  4. Ines says:

    Danke für die Erläuterungen zu den Morgenseiten. Damit hast Du einige Fragen, die ich dazu hatte, geklärt. Eine Frage ist aber offen geblieben: Wie soll ich das mit dem morgendlichen Schreiben umsetzen, wenn ich kein Single bin. Will heißen, wenn ich mir mit meinem Partner das Bett teile. Ich möchte ungern in seiner Gegenwart die Seiten schreiben, da das ja doch eine sehr persönliche Angelegenheit ist. Anders gefragt: Welche Tipps gibt es, diese Routine in den Ehe- bzw. Partnerschaftsalltag zu integrieren? Da ist man ja nicht so unabhängig wie als Single.

  5. Jutta says:

    Hallo und guten Abend!
    Ich werde in ein paar Tagen 72 Jahre alt, aber noch immer macht es mir Spaß, neue Dinge auszuprobieren. Von den Morgenseiten habe ich schon gehört und auf der Suchen nach konkreten Hinweisen dazu, bin ich auf Deine Seiten gestoßen. Mir gefällt das sehr gut, was Du hier schreibst.
    Schöne Grüße, Jutta

  6. Hallo Paul,

    vielen Dank für diese großartige und ausführliche Beschreibung der Morgenseiten! Meine Recherche nach einem guten Artikel zu diesem “Werkzeug” hat mich auf Deine Seite geführt – und es wird garantiert nicht der letzte Besuch gewesen sein!

    Deinen Artikel habe ich in meinem heutigen Newsletter verlinkt und gehe davon aus, dass meine Leserinnen genauso begeistert sein werden wie ich.

    Herzliche Grüße, Sabine

    • Paul says:

      Hallo Lisa,
      es wird empfohlen, die Seiten einseitig zu beschreiben. Sonst sind es ja am Ende sechs, das ist dann doch etwas viel. Aber probier es aus. 🙂

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