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Warum du (hin und wieder) mit einer Hand tippen solltest

Was zählt ist Geschwindigkeit. Überall versuchen wir schneller und effizienter zu werden. Doch wenn du Tagebuch schreibst, darfst du es ruhig langsam angehen lassen. Das zumindest können wir aus einem ziemlich schrägen Experiment britischer Wissenschaftler lernen.

Wenn ich vor dem Laptop sitze und Textentwürfe schreibe, dann spielt Rechtschreibung zunächst keine große Rolle. Meine Finger fliegen über die Tastatur. Sie finden die Tasten praktisch im Schlaf und was zählt ist, dass meine getippten Worte halbwegs Schritt halten mit den Gedanken, die sich fast zeitgleich in meinem Kopf formieren. Vielleicht kennst du das.

Seit einiger Zeit habe ich mein Journaling konsequent auf Stift und Papier umgestellt. Ganz intuitiv und aus Genussgründen, weil ich das haptische Erlebnis liebe. Jetzt bestätigt eine Studie, die im British Journal of Psychology veröffentlicht wurde, dass das auch aus ganz rationalen Gründen gute Idee war.

In der Studie ließen die Wissenschaftler zwei Gruppen von Probanden Essays schreiben und verglichen Textinhalte und Textqualität. Eine Gruppe schrieb wie gewohnt im 10-Fingersystem, die andere durfte allerdings nur mit einer Hand schreiben.

Zwar ging es in der Studie nicht per se ums Tagebuch schreiben, aber die Quintessenz ist dennoch interessant für alle, die gerne mit Worten jonglieren und versuchen durch Schreiben sich und die Welt besser zu verstehen. Denn was die Wissenschaftler herausfanden, ist eins:

Langsamkeit zahlt sich aus.

Es mag also absurd klingen, aber wir wir tun uns und unserem Schreiben durchaus etwas Gutes, wenn wir das Zweifingersuchsystem der Schreibmaschinen-Ära wiederbeleben. Zumindest zeitweise.

Mach dieses Entschleunigungsexperiment.

Setz dich das nächste Mal, wenn du einen kreativen Text oder Tagebuch schreibst, an deinen Computer und tippe mit einer Hand.

Wenn du das Experiment nachstellst, solltest du natürlich nicht unter Zeitdruck stehen. Du wirst kein Wunder erleben, aber sehr wahrscheinlich bestätigen können, was die Wissenschaftler herausgefunden haben.

Sie verglichen die Essays und stellten fest, dass Inhaltstiefe und sprachliche Qualität vom einhändigen Tippen profitierten. Denn das langsame Tempo gab dem Gehirn wohl mehr Zeit, um Wortfindungsprozesse durchzuführen, was die Aussagen präziser und die Sprache klarer machte.

Jetzt geht es beim Journaling nicht darum, besonders “gute” Texte zu schreiben, wie auch immer man das definieren mag. Doch aus meiner Sicht kann das eigene Schreiben durchaus profitieren, wenn du wählerisch bist und jedes Wort nimmst, das dir dein Gehirn anbietet, um eine Erfahrung auszudrücken.

Bei manchen Formen des Journalings, wie den Morgenseiten, kommt es darauf an intuitiv und also möglichst schnell den Gedankenstrom aufs Papier zu bringen, aber bei anderen Formen wie dem Soul Journaling oder intensiven Reflexionen kann es sehr wertvoll sein, langsamer und bedachter vorzugehen.

Sei wählerisch mit deinen Worten.

Das reduzierte Tempo hilft dir, besser und genauer auszudrücken, was in der von dir beschriebenen Situation wirklich vor sich gegangen ist – um dich herum und in dir.

Du musst natürlich nicht mit einer Hand am Computer tippen. Wenn du die Erkenntnisse der Studie in dein Journaling integrieren willst, dann schreib einfach häufiger bewusst per Hand. In den meisten Fällen schreiben wir handschriftlich automatisch langsamer als wir tippen.

Dem Schreiben per Hand werden ohnehin noch weitere Vorteile zugeschrieben: Es verankert beispielsweise das Geschriebene tiefer in unserem Gedächtnis, fördert kreatives Denken und trainiert das Leseverständnis.

Ich bin großer Fan vom Schreiben mit Stift und Papier und diese Studie ist nur ein weiteres Argument dafür, das etwas langsamere Schreiben per Hand nicht ganz zu begraben, sondern bewusst einzusetzen.

Verlangsame zumindest hin und wieder dein Schreibtempo und deine Schreiberkenntnisse werden sich vertiefen.

Was sind deine Erfahrungen mit dem langsamen Schreiben? Stellst du einen Unterschied fest zwischen dem Tippen am Rechner und dem Schreiben per Hand?

 

Zum Nachlesen: 

Wenn dich der genaue Studienablauf interessiert und du nähere Informationen zur Studie suchst, findest du die englischsprachige Original-Veröffentlichung der Studie im British Journal of Psychology.

 

One comment

  1. Beatrix says:

    Danke Paul für die Studie, intuitiv wähle ich bei emotionalen Texten auch den Stift und wenn es etwas mit meinem Beruf zu tun hat, den PC. Ich meine ja immer, wir gehen viel tiefer mit Stift und Papier. Das Gehirn verknüpft sich mit dem Herzen und hat mehr Zeit (durch die Langsamkeit), auch die Herzen der Leser zu berühren.

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