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Schreibstimme

7 Tipps, um deine Schreibstimme zu finden

Nicht deine Botschaft macht deine Texte einzigartig, sondern deine Schreibstimme. Ketzerische These? Ich glaube, dass viele gute Dinge nicht nur einmal gesagt werden müssen, sondern auf viele verschiedene Weisen, denn jeder öffnet sich für andere Stimmen. Umso wichtiger, seine eigene Schreibstimme zu finden. Hier ein paar Tipps, wie deine Worte unverwechselbar werden.

#1 Schreib, wie du sprichst

Es heißt nicht umsonst Schreibstimme. Wenn du schreibst, sprichst du mit deinem Leser. Niemand will kompliziert konstruierte Satzgebilde lesen, die womöglich mit Fremdwörtern gespickt und über mehrere Zeilen reichen. Das hat vielleicht damals in der Schule beim Aufsatzschreiben einen Pluspunkt gebracht, aber im echten Leben angekommen, will das niemand lesen. Es macht das Verstehen unnötig schwer und, genauso schlimm, es verschleiert völlig deine Persönlichkeit (es sei denn, du bist so ein kompliziert, verschwurbelter Mensch ;)). Aber genau diese solltest du mit deiner Schreibstimme zum Ausdruck bringen.

Was hilft: sich beim Schreiben einen konkreten Leser oder eine Leserin vorstellen. Wir schreiben zu oft für eine anonyme Masse. Wollen ganz viele mit unseren Texten erreichen, um am Ende niemanden so richtig anzusprechen. Deshalb hilft es, sich einen Adressaten sehr konkret vorzustellen. Vielleicht ist es ein guter Freund von dir, vielleicht hast du bereits eine Persona  für deinen Text entwickelt. Wenn du die Person vor Augen hast, dann schreib so, wie du mit ihr oder ihm über das Thema reden würdest.  Du kannst den Text auch aufzeichnen oder mit einer Spracherkennungssoftware arbeiten. Egal, wie du es genau machst, du wirst am Ende einen Text vor dir haben, der deutlich mehr von deiner eigenen Schreibstimme enthält, versprochen.

#2 Mach dich von Regeln frei

Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden. Abgedroschen? Ja, aber trotzdem wahr. Vor allem beim Schreiben. Konkret heißt das: Es wird Zeit, die Überreste des Deutschunterrichts abzuschütteln. Wie ein guter Text aussieht, ist immer kontext- und zeitabhängig. Schau dich um in dem Bereich, in dem du deine Texte angesiedelt sehen willst und lass dich inspirieren und dann schau auch in anderen Bereichen und nimm auf, was dir gefällt.

Im besten Fall erkennst du drei Dinge: Erstens, die deutsche Grammatik hat sich der Kreativität und Absicht des Autors unterzuordnen; zweitens, es gibt nicht das eine richtige, gute Deutsch und drittens, und das ist die Schlussfolgerung, mach einfach dein eigenes Ding. Dann wird der Text genau richtig. Denn wir brauchen deine ureigene Stimme und nicht irgendeinen billigen Abklatsch von mehr oder weniger begabten Autoren. Die gibt es ja schon, deine Stimme aber noch nicht. Zeit, das zu ändern.

#3 Schreib, worüber du Bescheid weißt

Authentizität beim Stil ist schön und gut, aber du solltest dabei immer wissen, worüber du schreibst. Egal, ob Prosa oder Sachtext. Nur wenn du das WAS beherrscht, ist es an der Zeit, dich mit dem WIE, also deiner Schreibstimme zu beschäftigen. Sonst endest du wie ein übermotivierter Autoverkäufer: Er ist laut, selbstbewusst und auffallend anders, aber sobald man näher hinschaut, merkt man, er hat keine Ahnung und will einfach nur verkaufen. Das ist nicht schön und nicht erstrebenswert. Darum: Lerne erst dein Handwerk und dann die Kunst.

#4 Löse dich von Vorbildern

Die eigene Schreibstimme entsteht nicht aus dem Nichts, sondern ist Ergebnis von allem, was wir bisher erfahren und erlebt haben, vor allem, von dem, was wir bisher gelesen haben. Sie ist beeinflusst von den vielen Autoren, die uns geprägt haben und von denen wir uns ganz bewusst etwas mitgenommen haben. Wir stehen als Autoren immer wie Zwerge auf den Schultern von Riesen – das ist ganz natürlich und gut so. Ab einem gewissen Punkt ist es jedoch wichtig, sich von seinen Vorbildern zu lösen.

Wieder ein Schulvergleich: Irgendwann hat man genug gelernt. Man erhält den Abschluss und geht ins echte Leben. Der Unterschied zum Schreiben: Hier gibt es kein vordefiniertes Datum der Entlassung. Es ist eher ein schleichender Prozess der Ablösung von den großen Vorbildern. Das heißt aber nicht, dass der Prozess automatisch abläuft. Du solltest ihn dir bewusst vornehmen. Bewusstwerden steht immer vor Veränderung. Die vielen gesichtslosen Autoren mit ihren austauschbaren Texten zeigen, dass diese Ablösung gar nicht selbstverständlich ist.

Wenn du dich mehr mit dem Thema  kreative Vorbilder und Freischwimmen von Vorbildern befassen willst, kann ich dir Steal like an Artist* von Austin Kleon sehr ans Herz legen.

#5 Hab Angst und nimm deine Angst an die Hand

Gerade beim autobiographischen Schreiben oder beim Bloggen, bei jedem Text, in dem es erkennbar um dich und keinen fiktiven Charakter geht, sitzt dir die Angst unweigerlich auf dem Schoß oder im Nacken, während du in die Tasten tippst. Jetzt könntest du versuchen, sie mit irgendwelchen ausgetüftelten Methoden loszuwerden, sie zu überwinden, aber leider funktioniert die menschliche Psyche so nicht. Die Angst, die ganz persönlichen Lebenserfahrungen, tiefe Einsichten, Schwächen und Kämpfe mit der Welt zu teilen, lässt sich nicht abschütteln. Und das ist sogar gut. Denn Angst ist ein Indikator.

Wenn dir kurz nach dem Veröffentlichen nicht wenigstens ein bisschen schlecht ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass dein Text nicht so ehrlich und authentisch ist, wie er hätte sein können. Aber genau diese Verletzlichkeit weckt im Leser Emotionen und nur Emotionen setzen Menschen wirklich in Bewegung. Rational haben wir vieles bereits verstanden. Ins Handeln bringen uns oft erst, wenn wir von außen emotional berührt werden. Wenn du beim Schreiben also wieder von der Angst besucht wirst, nimm sie als Zeichen, dass du gerade an einem spannenden Thema bist und lauf nicht weg, sondern taste dich weiter im Text vor. Deine Leser werden es dir danken.

#6 Schreib, wie du bist

Du hast Ecken und Kanten. Du hast deine Eigenheiten. Vielleicht ist es dein schwarzer Humor, vielleicht deine direkte Art, die andere an dir lieben und manche nicht leiden können. Dann zeig das in deinen Texten. Kümmer dich weniger um politische Korrektheit, sondern darum, authentisch zu sein. Wenn dich manche wegen bestimmter Macken, seltsam finden. Dann ist das ein gutes Indiz dafür, das auch in deinen Schreibstil aufzunehmen. Denn: Was anders ist, sticht heraus. Und das ist, wenn du Gehör mit deinen Texten finden willst, etwas Gutes. Es geht nicht darum, etwas zu erfinden, was nicht du bist, sondern mehr von dir in deine Texte zu bringen. Das heißt auch: nicht nur die Schokoladenseite zeigen, sondern dein ganzes Ich. Kurz: Schreib so, wie du bist. Bring deine Persönlichkeit in deine Texte und lass sie nicht auf dem Weg zum Schreibtisch zurück.

#7 Schreib regelmäßig

Oft unterschätzt, aber mit am wichtigsten, wenn du schnell Fortschritte machen willst beim Erarbeiten deiner Schreibstimme: Schreib regelmäßig und schreib oft. Denn letztlich findest du deine Schreibstimme nicht irgendwo. Du musst sie dir erarbeiten. Oder eher: erschreiben. Etabliere eine tägliche Schreibtroutine. Schreib auch, wenn du dich nicht von der Muse geküsst fühlst, gerade dann. So haben es auch viele erfolgreiche Autoren vor uns gemacht, aber es geht hierbei nicht um Erfolg im Außen.

Franz Kafka beschreibt den Nutzen des Tagebuchschreibens in seiner ganz eigenen Art:

“Hold fast to the diary from today on. Write regularly! Don’t surrender! Even if no salvation should come, I want to be worthy of it every moment.”

Schreiben hat einen Wert unabhängig von der eigenen Bewertung oder Bewertung anderer. Es eröffnet neue Perspektiven, transformiert Erlebtes und lässt den Autor wachsen. Und je besser du dich selbst kennenlernst, desto klarer wird deine Schreibstimme.

Leseempfehlung: Musenküsse* – ein Buch über die Schreibrituale bekannter Autoren.

 

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Man könnte sie sicher noch ergänzen, manche Punkte anders zusammenfassen. Sie soll eher als Anstoß verstanden werden, selbst einmal zu überlegen, was (d)eine Schreibstimme für dich ausmacht und wie du deine Schreibstimme weiterentwickeln kannst.

Wie hat sich deine Schreibstimme im Laufe der Zeit verändert? Hast du bewusst an ihr gearbeitet oder dich auf den kreativen Prozess verlassen? Ich freu mich auf einen Kommentar mit deinen Erfahrungen!

 

7 comments

  1. Monika says:

    Toller Beitrag. Das mit der Schreibstimme werde ich mir in Zukunft immer dann ins Gedächtnis rufen, wenn ich beim Schreiben mal wieder steckenbleibe und versuche meinen Text nach irgendwelchen Normen zu verfassen. Danke für die Anregungen.

    • Paul says:

      Gerne 🙂 Freut mich, dass der Artikel bei dir andocken konnte. Viel Spaß bei deinen weiteren Schreibabenteuern!

  2. Astrid says:

    Es ist eine, auf Neudeutsch gesagt, megageile Sache, die eigene Schreibstimme gefunden zu haben, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber es gibt ein gewaltiges Problem: Wie verständige ich mich damit? Einen Text, der die Regeln verletzt, der den gängigen Normen nicht genügt, der nicht zumindest mit Gewalt oder Sex oder Verletzung international anerkannter Menschenrechte zu tun hat, den liest doch kein Schwein. Die Leute, wenn es nicht gerade deine engsten Buddies sind, wollen spannende Geschichten haben und einen klaren Anfang und hinten einen runden Schlusspunkt. Klar kann ich meine anders gearteten literarischen Produktionen irgendwo ins Netz stellen und hoffen, dass im Laufe der nächsten 1000 Jahre zufällig igendwer vorbeisurft, der mit mir auf der gleichen Wellenlänge liegt – aber ist es das, wozu ich das Alphabet gelernt habe?

    • Paul says:

      Hey Astrid, ich bin überzeugt davon, dass auch Texte die von dir beschriebenen Themen Gewalt etc. spannend sein können. Ich glaube, dass die Welt mehr von genau diesen Texten braucht und wenn du sie schreibst, dann ist das eine großartige Sache. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, dafür gibt es Strategien. Lass die Negativität nicht deine Schreibfreude trüben. Alles Liebe 🙂

  3. Vielen Dank für diesen Artikel! Ich suche meine Schreibstimme noch. Obwohl ich schon eine habe für meine Studienarbeiten und berufliche emails. Auf dem Blog zu schreiben wie man spricht und sich dort richtig zu finden und dann auch noch auszudrücken, um eine Botschaft zu übermitteln, ist für mich schwieriger als ich dachte.

    • Paul says:

      Valerie, freut mich, dass der Artikel hilfreich war für dich. Ich wünsche dir viel Geduld und Spaß beim Erschreiben deiner eigenen Schreibstimme.

  4. Cora says:

    Hmm… Prinzipiell gebe ich dir vollkommen recht. Aber ein paar Regeln sind fürs Verständnis doch auch notwendig, z.B. Kommata, keine total unmotivierten Brüche, jedenfalls nicht im Genreroman, … Vor allem Kommafehler in Blogs oder auch im Print nerven mich total, auch wenn ich sicher auch hin und wieder welche mache….

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